Guide

Methoden in der Awarenessarbeit

Du kannst diesen Guide als PDF hier herunterladen.

Dieser Text richtet sich an Menschen, die in der Awareness mitarbeiten, aber keine ausgebildeten Fachkräfte sind. Es wurde absichtlich versucht, Dinge vereinfacht aufzuschreiben.

Du erreichst unser Ananaskollektiv https://www.awarenesskollektiv.org/ unter awkollektiv@systemli.org für Fragen, Austausch und Kritik. Wir bieten auch Trainings, die Besprechung von Fallbeispielen und Intervision an und sind komplett spendenfinanziert.

Die Methoden sind in FETTEN Buchstaben , damit du sie schnell wieder findest. Unter den Titeln der Methoden findest du bei Google auch Anleitungen. Es gibt meistens Varianten der Methoden und es macht häufig Sinn, die Methode erprobt zu haben, bevor du sie anwendest. Hilfreich ist es auch, wenn du dich daran gewöhnst Methoden anzuleiten. Diese Fähigkeit brauchst du in der Awarenessarbeit, wenn du eine Methode vorschlägst.

Die Methoden sind nach Anwendungsgebieten sortiert.

Du willst einen Skillshare geben oder das Eis brechen

Zu Beginn: Lockere die Gruppe etwas auf, bringe Menschen in Kontakt miteinander, versuche sie von der rationalen Ebene hin zu Spaß und Albernheit. Du wirst dadurch die Fehlertoleranz der Gruppe erhöhen, Humor ist so wichtig. Menschen trauen sich mehr, das Stresslevel sinkt („verhalte ich mich sozial angepasst genug, oh nein ich kenne niemenschen…“). Menschen können unter Stress schwer neues Wissen verarbeiten, also schaffe erstmal eine passende Atmosphäre und eröffne gemeinsam den Raum.

Diese Methoden eignen sich auch in der Awarenessarbeit, wenn du präventiv mit einer Gruppe unter Stress etwas entspannen willst. Gut eignet sich ein Soziogramm für den Anfang.

SOZIOGRAMM Menschen positionieren sich auf einer gedachten Geraden zu

irgendwelchen binär ausrichtbaren Themen. Besonders intersektionell denkende Menschen schlagen manchmal von selbst vor, sich in einem Dreieck aufzustellen, um die Binarität zu durchbrechen, das kann auch ein passender Gesprächsanlass sein. Vermeide Fragen nach dem Essen/ Hunger, denn dasist für viele Menschen ein Trigger. Beispiele:

„Wie weit bist du angereist (links ganz weit, rechts ganz nah…)“, „Ich bin eher Frühaufsteher*in oder Nachteule“, „Ich brauche dringend jetzt einen Kaffee oder lasst uns jetzt endlich arbeiten und zwar sofort…“

Variante: du kannst dir spontan eine Flasche als Mikro schnappen und damit ernste Interviews mit den Menschen im Sozigramm führen mit Fragen wie „Magst du etwas dazu sagen, warum du genau hier stehst?“

Ninja kannst du in einer Besetzung im Kessel spielen, zu Beginn eines Skillshares oder immer.

NINJA Menschen stellen sich im Kreis auf, alles ab 3 Menschen bis 30 ist gut möglich.

Zu Beginn stehen alle im Kreis und halten die Hände aufeinander gerichtet in die Mitte. Auf „eins, zwei, drei – Ninja“ springen alle mit einer einzigen flüssigen Bewegung auseinander (also nicht mehrere Schritte) und bleiben so stehen. Die Person, die am weitesten außen steht, darf nun beginnen und versuchen, die Unterarme (von Fingerspitze bis Ellbogen) der anderen Spieler*innen abzuschlagen. Diese dürfen bei einem direkten Angriff ausweichen. Beide Aktionen (Angriff und Ausweichen) sind in einer einzigen flüssigen Bewegung durchzuführen.

Nach diesem Schlagabtausch geht es nun egal ob getroffen wurde oder nicht bei dem Menschen weiter, der im Uhrzeigersinn neben der ersten Person stand.

Generell sind die Positionen, die nach der Bewegung zustande kommen solange genau so beizubehalten, bis mensch entweder ausweichen muss, oder selbst an der Reihe ist.

Was passiert, wenn ein Arm berührt wurde? Wird ein Unterarm “abgeschlagen” oder berührt, ist der Mensch „entwaffnet“ und muss diesen Arm für den Rest des Spiels hinter dem Rücken halten. Sind beide Waffen weg, scheidet mensch aus.

UNSICHTBAREN BALL WERFEN Menschen können irgendwo auf der Fläche

stehen, in Besetzungsstrukturen oder auf der Wiese, nah und weit entfernt. Eine Person beginnt und wirft einer anderen Person einen imaginären Ball zu. Diese wirft ihn weiter. Menschen können auch versuchen damit abzuwerfen, weichen aus usw. Mit etwas Übung macht es sehr viel Spaß und entspannt alle Umstehenden, weil es ziemlich witzig aussieht. Die kesselnden Cops sind maximal verwirrt.

Selbsterfahrung und Achtsamkeitstraining

NÄHE DISTANZ Du bittest zwei Menschen, die mit dir die Übung vorführen wollen,

sich gegenüber aufzustellen. Du erklärst, dass die eigene Komfortzone so wabernd wie ein Eiweiß mit Eigelb in der Mitte umgibt - bei jeder Person unterschiedlich groß und veränderlich. Die Personen sollen sich etwas an ihrem Ort spüren, die Umgebung anschauen, auch hinter sich. Dann bittest du eine Person statisch zu bleiben und die andere ihre Position zu ändern, z.B. nach hinten zu gehen, sich seitwärts zu stellen, hinter die Person zu stellen, ihr checkt jeweils miteinander, wie es allen Beteiligten geht. Ob sich das Gefühl verändert, was schwierig ist, was leichtfällt. Du kannst die Person bitten, die andere Person allein durch Körperenergie rückwärtszubewegen und auf sie zuzugehen. Oder eine flache Hand als magischen „Führstab“ einzusetzen, der die Person durch den Raum führt, auch rückwärts. Du kannst bei Menschen, die sicher nicht in einer Trauma Response sind auch fragen, ob sie die Augen schließen wollen.

Wichtig: Achte darauf, ob es allen Beteiligten gut geht, frage bei den Schritten evtl. um Erlaubnis. Auch Gefühle von Unbehagen, Bedrohlichkeit oder Wut dürfen kommen, bereite die Menschen darauf vor. Besprecht die Gefühle und gehe nur so weit, wie du den Raum halten kannst.

Die Gruppe darf sich dann jeweils zu dritt zusammentun und die Übung selbstständig durchführen, eine Person schlüpft in die Anleiter*innen Rolle. Empowere die anleitende Person, indem du in einer Nachbesprechung explizit danach fragst, was in der Anleitung besonders gut gelungen ist, lasse jedoch keine Kritik in der großen Runde zu.

Ziele: Gewöhnung an die Rolle einer anleitenden Person - das machst du viel in der Awareness Arbeit, wenn du Körperübungen anleitest. Schaffen von Bewusstsein für Nähe und Distanz, die eigene Achtsamkeit entwickeln. Schaffen eines Gesprächseinstiegs zum Thema Grenzen.

NEIN KREIS Menschen stellen sich im Kreis auf. Auf verschiedenste Weise sagt

nun einer nach dem anderen zu seinem nächsten Nachbarn NEIN. Abwechselnd links- und rechtsherum. Nein-Variationen können sein: Leise, laut, freundlich, streng, unsicher, entschieden, autoritär, hilflos, genervt, ängstlich etc. Wenn die Gruppe sich noch nicht gut kenn, kann es helfen, Zettelchen ziehen zu lassen mit einer der Varianten, also eine Nein-Variante vorzugeben.

Teile die Gruppe dann in 2er Pärchen. Diese sollen nochmal jeweils 2 Varianten von Nein an sich gegenseitig üben. Dann stelle jeder 2 er Gruppe folgende Fragen:

Wie leicht fällt es mir persönlich, klar und deutlich „Nein!“ zu sagen?
Was macht es schwierig, eindeutig Nein! zu sagen?

Reflektiert dann gemeinsam sowas wie

Die Übung ist ein guter Einstieg in das Thema „Nein-Sagen“ in der Awareness Arbeit.

Überstimulierten Menschen begegnen

Menschen, die alles ablehnen, zunehmend innerlich kochen oder denen alles zu viel ist, kannst du fragen:

Kennst du was, was dir jetzt hilft? Brauchst du vielleicht einfach Ruhe? Oder: Ist bei dir eine Neurodivergenz bekannt? Könnte es sein, dass dir Reize gerade zu viel sind?

Wenn ein Mensch das so für sich spüren kann und sonst einen einigermaßen sicheren Eindruck macht, könnte es sein, dass die Person einfach überstimuliert ist. Das passiert besonders neurodivergenten Menschen gerne mal, aber auch allen anderen. Die Methode der Wahl ist jetzt, keine weiteren Methoden anzuwenden. Du könntest Schallschutzkopfhöhrer/Ohropax, ein Skill und ein Duftfläschchen einfach vor den Menschen hinlegen.

Du kannst sagen: „Wenn es für dich ok ist, würde ich für 10min (5min) rausgehen.“ Erwarte keine Antwort.

Verlasse evtl. den Raum, bewege dich ruhig und schirme weitere Reize/ Menschen so gut es geht ab. Komme nach 10 Minuten wieder und frage die Person, ob sich etwas verändert hat und sie mit dir reden möchte.

Negative Gedankenspiralen durchbrechen

Berichtet die Person, dass sie nicht aufhören kann an ein bedrückendes Ereignis oder einen Zustand zu denken, spricht sie in einem fort oder hast du den Eindruck, dass die Person eher zurückfinden sollte, kannst du versuchen die Gedankenspiralen zu durchbrechen. Die Spiralen führen in der Regel weiter nach unten und treten bei großer Traurigkeit/ depressiver Episode auf oder als Traumareaktion.

Du gehst hier schrittweise vor. Beschäftige den rationalen Teil der Person. Du kannst eine geführte Meditation mit offenen Augen machen und eine kleine Atemübung integrieren.

Du kannst die 5- 4 - 3 - 2 - 1 Übung machen und evtl. davor erzählen, was die Übung erreichen soll (Ablenkung der Gedanken ist hilfreich). Laste die Person kurzzeitig kognitiv mit irgendwas aus. Oder biete ein Kartenspiel an. Mach es zügig und stelle irgendwelche kognitiven Anforderungen. Falls euch beiden eine Körperarbeit wie eine Atemübung, singen oder Spazierengehen mehr liegt, kannst du auch gleich dazu springen.

Dann versuchst du die Person zu erden , indem ihr euch selbst abklopft, hinstellt, aufstampft. Lachen hilft sehr, tut was Lustiges. Spürt kurz euren Körper, auch den Kontakt zum Boden.

Dann versuchst du das Sichtfeld der Person zu erweitern , zeige auf etwas am Himmel (oben, hinten, weit weg), schaut euch an, was hinter euch ist, schaut euch Dinge in makro-Einstellung der Augen an (einen kleinen Käfer, einen Fussel, schmeiß was runter, was ihr kurz suchen müsst).

Du kannst in einem weiteren Schritt versuchen weitere Sinne hinzuzunehmen , trinkt einen warmen Tee, wascht eure Gesichter mit kaltem oder warmem Wasser, esst saure oder süße Gummibärchen. Fühlt die frische Luft draußen und bewegt euch ein paar Schritte. Klo und Essenbedürfnis könnten sich jetzt auch melden. Die Person wird jetzt eine erste Verbindung zu ihren Bedürfnissen wahrnehmen können.

Dein Ziel sollte sein, die Ressourcen des Menschen zu wecken und zu stärken. Ressourcen sind Fähigkeiten, die er Mensch schon kennt und die in der Vergangenheit Spaß gemacht haben: Wenn der Mensch Angst hat, singt zusammen. Wenn der Mensch gerne jongliert, schlage jonglieren vor (Überkreuzbewegungen aktivieren den Hirnbalken), malt etwas, häkelt/strickt. Spielt ein Spiel oder sprecht über die Fähigkeiten und Erfolge. Setze eine Beschäftigung an Stelle der negativen Gedanken.

Oft wirst du etwas graben müssen, bis sich herausstellt, was den Menschen auf ganz andere und positive Gedanken bringt. Bleib dran, probiere immer wieder etwas aus. Vielleicht spürt die Person dann auch ihre Erschöpfung: negative Gedanken sind unheimlich kraftraubend. Du kannst dich gemeinsam mit der mit ruhiger hinlegen.

Es hilft meistens den Kopf noch etwas zu beschäftigen , also da zu bleiben, ein gutes und positiv gestimmtes Gespräch zu führen und nicht nur zu schweigen. Sonst beginnen die Gedanken wieder negative Spiralen zu bilden. Es kann auch hilfreich sein, ein paar Stunden später zusammen nochmal einzuchecken und evtl. eine Übung, die gut getan hat nochmal zusammen zu machen. Biete diese Möglichkeit an und dränge dich nicht auf.

Die belastenden Gedanken hatten einen Grund und sind real. Aber zu viele auf einmal wirken lähmend. In der weiteren Arbeit kannst du versuchen die negativen Aspekte dosiert, strukturiert und vielleicht unter verschiedenen Perspektiven zu besprechen oder andere Techniken zu finden, mit denen Lösungen erarbeitet werden können. Das ist ein eigenes Kapitel, hier geht es erstmal nur um die Akutbegleitung raus aus der Spirale.

Notfälle erkennen Wenn ein Tag oder Situation sehr anstrengend war oder ist,

Schlafmangel dazukommt und schon alle „Spoons“ (sogenannte Energielöffel, die eine Person täglich zur Verfügung hat) aufgebraucht sind. Wenn ein Trigger eine Traumareaktion ausgelöst hat und in der Summe das System dieses Menschen überlastet ist, kann es sein, dass die Person eine leichte oder auch schwere Dissoziation erlebt.

Die Spanne reicht von einer leichten Abwesenheit, die sich wohltuend und entspannend anfühlen kann (und noch keine echte Dissoziation ist) hin zu einem kompletten körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Eine Dissoziation bedeutet ein bisschen innerlich die Handbremse nicht loszubekommen, während gleichzeitig das innere System voll aufs Gaspedal drückt.

Scheint die Person nicht erweckbar und reagiert weiterhin nicht wirklich, stellst du einen möglich geschützten Raum her. Das gleiche gilt, wenn die Person zwar reagiert, aber wie unter Schock wirkt (das ist ein Schock!) und sich selbst gefährdet (befahrene Straße, Polizei). Spätestens jetzt rufst du die Sanis rufen: Teile kurz mit dass es um eine psychische Notlage handeln könnte und frage ob es möglich ist die Person herauszubringen. Ansonsten kannst du den Menschen durch Rettungsdecken abschirmen lassen und Umstehende bitten sich im Kreis herumzustellen (und dabei in die abgekehrte Richtung zu schauen).

Häufig wird der Mensch wieder ansprechbar werden. Begleite ihn empathisch, ruhig und achtsam zurück. Schaffe einen ruhigen, reizarmen Ort, halte die Situation mit aus und bleibe in Kontakt. Biete nach einer Weile eine Körperübung an, die das Zurückkommen und Hierbleiben fördert. Versuche schrittweise wieder mehr Selbstbestimmung zu fördern und Ohnmachtsgefühle der betroffenen Person mitabzubauen.

Körpergrenzen wiedererlangen/ ins Hier und Jetzt finden

KÖRPERÜBUNGEN ZUR ORIENTIERUNG

Schockzustände oder Dissoziationen können einen Orientierungsverlust mit sich bringen, der zusätzlich belastet.

Räumliche Orientierung unterstützen: Den Platz/ Camp ablaufen. Eventuell auch die Küfa besuchen oder die Toilette.

Den Boden unter den Füßen anschauen, das Gebüsch neben euch. Das „Awareness“- Zelt anschauen. Wo gibt es was zu trinken? „Wo sind die Sanis? etc.

Zeitliche Orientierung geben: Besprechen, wann das nächste Essen passieren kann, was gerade passiert ist. Die zeitliche Abfolge des Tages zurückverfolgen und überlegen was noch ansteht. Halte es simpel.

Situative Orientierung : Was ist mit den Bezugis, was ist in etwa überhaupt passiert?

5 - 4 - 3 - 2 - 1 ÜBUNG

Diese mächtige Übung wird oft vermittelt, weil sie mehrere Ziele vereint. Sie kann einerseits das rationale Denken aushebeln, indem das Gehirn beschäftigt, aber nicht überfordert wird. Den Blick zu weiten und den „Tunnelblick“ reduzieren, den Blick bewusst auf etwas Schönes zu lenken und dort zu verweilen. Die eigene Stimme und die eines Gegenübers als gelassen und bestimmt wahrzunehmen und die Umgebung als nicht bedrohlich zu erkennen. Diese bewusst herbeigeführten Signale auf den verschiedenen Ebenen gleichzeitig wirken stabilisierend und entspannen das Nervensystem, obwohl das Kleinhirn weiterhin Alarmmodus feuert. Bei der Übung geht es weniger darum, die Anleitung exakt umzusetzen, sondern darum, dass eure Stimmen klar und gelassen klingen, die Übung mit zunehmender innerer Ruhe durchgeführt wird, ihr eine Gelegenheit findet euch umzusehen und alltägliche Dinge in der Umgebung wahrzunehmen, die wenig bedrohlich sind. Ob ihr jetzt 5 Dinge seht oder hört ist völlig egal.

Die Abfolge 5- 4 - 3 - 2 - 1 soll eine Erinnerungshilfe sein. Es geht darum nacheinander 5 Dinge zu sehen, 4 Dinge zu hören, 3 Dinge zu fühlen, 2 Dinge zu riechen und 1 Sache zu schmecken. Stellt euch nebeneinander und schaut in die gleiche Richtung. Bitte den Menschen neben dir, sich einen Punkt zu suchen, den er fixieren möchte, dieser sollte so 5m entfernt sein oder an der gegenüberliegenden Zimmerwand. „Du fixierst jetzt während der Übung diesen Punkt. Versuch mal wahrzunehmen, wo die Grenzen deines Sichtfeldes sind, wenn du deine Augen nicht groß bewegst. Aus diesem Kreis sagen wir jetzt laut 5 Dinge, die wir gerade noch sehen können. Ich fang an: eine schwarze Lampe, die weiße Zimmerdecke, irgendwas helles links, …“ Lass die andere Person auch 5 Dinge laut aussprechen. „Jetzt 4 Dinge, die wir hören können: Straßengeräusche, mein Herzschlag, …“ nacheinander werden alle Sinne angesprochen, zuerst die, die leichter erreichbar sind.

Diese Übung eignet sich zum Beispiel, um einen hohen Redefluss zu bremsen und vom rationalen Verzweifeln hin zu einem bewussteren Körpergefühl zu kommen. Außerdem ist es möglich, damit eine beginnende Panikattacke abzuwenden, die Situation insgesamt zu beruhigen und Sicherheit und Orientierung zurückzuerlangen. Wie bei allen Übungen hilft es sowohl, wenn du die Übung schon öfters gemacht hast, als auch wenn die Person diese Übung bereits kennt und geübt hat.

ABKLOPFEN Du kannst dich selbst abklopfen, um dich nicht zu sehr in die

Realität einer anderen Person reinziehen zu lassen. Oder einer anderen Person zu helfen sich die Körpergrenzen bewusst zu machen, um nicht wieder in eine Traumareaktion zu fallen. Biete das einfach an, aber bedenke, dass es neurodivergente Menschen häufig nicht schätzen. Beginne bei den Beinen, klopfe dich langsam nach oben, die Arme, den Kopf mit den Fingerspitzen und trommle auf deinen Brustkorb.

AUSSCHÜTTELN kann auch sehr hilfreich sein. Ob zaghaft Arme und Beine

oder lieber springend den ganzen Körper bleibt dir überlassen.

AUF EINEM BEIN STEHEN falls es noch zu leicht ist, kannst du gemeinsam

die Arme bewegen. Oder z.B. die Yoga-Übung „Baum“ machen. Bitte die Augen dafür offenlassen. Bei einer vorherigen Trauma Response könnten sonst plötzlich Bilder vor dem inneren Auge auftauchen (Flashbacks).

DEN BLICK WIEDER WEITEN besonders hilfreich ist es, das, was die

Augen wahrnehmen zu beeinflussen. Der Augennerv sitzt nah am Kleinhirn und das Sehfeld schränkt sich unter Stress stark ein. Schaue gemeinsam nach oben, nach hinten (!) und erforsche den Rand des Sehfeldes. Das geht mit einer Variante der 5- 4 - 3 - 2 - 1 Übung, oder, indem Vögel am Himmel gesucht werden. Fokussiert auf nahe und weit entfernte Objekte. Richtet den Blick eher auf Dinge, die keine konkrete Angst auslösen.

Entspannungsübungen und Stressabbau

ATEMÜBUNG ZUM GROUNDING

Stehend, liegend, sitzend – je nachdem wie es grade passt oder vielleicht auch für die Umgebung nicht auffällig ist. Für einem Selbst oder angeleitet für eine Person die Grounding gut brauchen könnte.

Sprich bitte langsam und deutlich – und mache Pausen zwischen den Sätzen:

Nimm die Teile deines Körpers wahr, die den Boden berühren.

Spüre wie die Erde dein Gewicht trägt.

Gib deinem Geist die Aufgabe den Atem zu beobachten ohne dass du aktiv in den Atem eingreifst. Wo kannst du deinen Atem jetzt gerade wahrnehmen? Eher im Brustkorb oder eher im Bauch? Hole den Atem an der Nasenspitze ab und verfolge den Fluss der Luft über den Mundraum, Hals in den Brustkorb und vielleicht in den Bauch. Spüre, wie die Luft leicht erwärmt an der Nasenspitze wieder austritt.

Nimm dann Kontrolle über deinen Atem und mache die Einatmung und die Ausatmung gleich lange. Du kannst innerlich bis 4 zählen für die Einatmung und bis 4 zählen für die Ausatmung. Ein paar Atemzüge weiter so.

Nimm auch die Pausen dazwischen wahr: Die Pause nach der Einatmung in der Fülle und die Pause nach der Ausatmung in der Leere. Paar Atemzüge so. Verlängere dann die Ausatmung auf 6 aber bleibe bei 4 für die Einatmung. Noch ein paar Atemzüge so – mach noch 3 vollständige Durchgänge und beende dann das Zählen.

BODY SCAN

Beim Body-Scan handelt es sich um ein gedankliches Abtasten („scannen“) des eigenen Körpers. Die Aufmerksamkeit wird auf verschiedene Bereiche des Körpers gerichtet. Das klingt erst einmal einfach, ist es aber nicht immer. Der Body-Scan kann sehr herausfordernd sein, denn oft springt unser Geist von Gedanke zu Gedanke und kommt nicht zur Ruhe. Beim Body-Scan geht es darum, eigene Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und sich dieser bewusst zu werden, ohne sie zu bewerten. Der Body-Scan hilft dabei, die eigene Konzentration zu stärken und uns ganz auf die Gegenwart, das Hier und Jetzt, zu fokussieren, ohne mit den Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu sein.

Den Body Scan kannst du in jeder Haltung anleiten, aber es ist hilfreich, wenn auch der Körper zur Ruhe kommen kann.

Achte darauf, dass du bequem sitzt oder liegst, die Arme liegen neben dem Körper oder liegen bequem auf den Oberschenkeln. Beginne, tief ein und aus zu atmen. Schließe mit dem Ausatmen die Augen und komm langsam zur Ruhe. Sobald du merkst, dass deine Gedanken abschweifen, komme mit deiner Aufmerksamkeit und deiner Konzentration wieder zurück zur jeweiligen Körperregion.

Beginne mit deinen Füßen. Fühle, an welchen Stellen die Füße den Boden oder die Unterlagen berühren und nimm deine Fersen, die Fußsohlen, die Zehen und den Fußspann ganz bewusst wahr.

Spüre dann in deine Unterschenkel hinein, die Waden und die Schienbeine. Wandere dann mit deiner Aufmerksamkeit in die Knie, die Oberschenkel und fühle, wo die Oberschenkel die Unterlage oder den Stuhl berühren.

Wandere dann mit deiner Konzentration in deinen Bauch. Atme tief in den Bauch hinein und dann spüre, wie sich deine Bauchdecke beim Atmen hebt und senkt.

Fühle, wo der Rücken anliegt. Sind die unteren Rückenmuskeln entspannt? Überprüfe, ob die Schultern locker nach unten hängen.

Dann lässt du die Gesichtsmuskeln entspannen, überprüfe, ob der Unterkiefer locker ist, ob die Augenlider ganz locker aufeinander aufliegen.

Spüre danach in deine Arme hinein. Nimm wahr, an welchen Stellen deine Arme aufliegen und fühle in die Oberarme, die Ellenbogen, die Unterarme und in deine Finger hinein.

Bereite dich dann darauf vor, die Übung abzuschließen. Mit einer der nächsten Ausatmungen öffnest du deine Augen wieder. Nimm einige tiefe Atemzüge und strecke und räkel dich.

Diese Übung dauert zwischen 15 und 45 Minuten je nachdem, wie intensiv ihr sie zusammen macht. Leite dein Gegenüber mit langsamen Worten an und schenkt jedem Körperbereich eine Zeitlang gemeinsam Aufmerksamkeit.

Weitere Übungen und Wissen zu Traumatisierung findest du zum Beispiel hier https://traumawissen.de/ressourcenuebungen/

Methoden, um dich selbst zu schützen

Berichten dir Menschen von schweren Ereignissen, kann das auch bei dir zu einem Trauma führen ( Sekundärtrauma ). Trauma ist sozusagen ansteckend und daher ist es oft sinnvoll, dass du dich selbst und auch andere davor schützt.

Es kann sein, dass Menschen einen großen Drang haben, dir die Dinge wieder und wieder zu erzählen oder in Details zu gehen. Beachte, dass auch du ein Recht auf Unversehrtheit hast. Dabei ist es nicht wichtig, wie schlimm das Erlebte ist. Beachte auch, dass der starke nicht Drang nicht bedeutet, dass es die Menschen tatsächlich entlastet. Oft sind Körperübungen viel hilfreicher. Menschen unterschätzen in der Regel in der Akutsituation, wie schwer sich das Trauma gerade in ihren Körper frisst. Wenn du daher methodisch entlasten willst und auch nicht ausbrennen willst, dann arbeite immer unter Einbeziehung des Körpers und anderer Ebenen (Humor, Spielen, Sinneserfahrungen). Die sprachliche Ebene könnte dazu führen, dass ihr euch im Kreis dreht. Wenn du Widerstände bei dieser Aussage spürst, bindest du wahrscheinlich bereits mehr Ebenen ein, als dir gerade noch bewusst war. Finde heraus, was zu dir passt und was dich selbst schützt. Beachte das vor allem, wenn dir ein Fall mit Polizeigewalt, sex. Gewalt und Machtmissbrauch begegnet.

Versuch der Instrumentalisierung

Immer wieder begegnen uns Menschen, denen es unabhängig von der Akutsituation schlecht geht oder denen es bereits länger schlecht geht und jetzt noch eine Akutsituation hinzukommt. Manchmal sind auch länger bestehende Konflikte wie zB übergriffige erotische Beziehungen oder eine besondere Persönlichkeitsakzentuierung der Grund. Oft werden männlich sozialisierte Menschen immer wieder auffällig, weil sie unsicher im Umgang mit FLINTA sind oder das mit dem Patriarchat nicht verstehen (wollen?). Um dich zu schützen, klärst du am besten vorab im Team, wie weit ihr euch da einbringen könnt und wollt. Gibt es männlich gelesene Mentorinnen, die schlecht sozialisierten cis-dudes langfristig helfen wollen? Wenn nein, kommuniziere das klar als nicht eure Aufgabe. Awareness wird oft von FLINTA erledigt und ein großer Teil der gewaltausübenden Personen sind männlich markiert. Oft leiden diese sehr und trotzdem können wir als Awareness Team Schwerpunkte setzen, die sich für uns richtig anfühlen, zu uns passen und dürfen auch kritisch hinterfragen, wieviel Energie wir wohin stecken möchten. Es könnte sich auch der Schwerpunkt herausstellen, dass eher männlich gelesene Mentorinnen vom Awarenessteam auf ihre Aufgabe vorbereitet und ihre wichtige Arbeit begleitet wird.

Unser Apell wäre daher, lasse dich nicht instrumentalisieren, weil der Leidensdruck irgendwo sehr groß ist. Oder, weil Menschen Awareness mit Sanktionsmacht/ Bestrafung einer gewaltausübenden Person verwechseln. Bleibt bei euch als Team und

entscheidet euch aktiv für und gegen besonders längere oder komplexe Begleitungen. Eure Grenzen und Gefühle sind wichtig! Ihr seid nicht der Anlaufpunkt, für alle schwierigen Persönlichkeiten und manchmal ist die Lösung auch, eine Person genau nicht durch die Awareness zu unterstützen.

Weitere Anlaufstellen

Reflexionsfragen für euer Team

Stellt euch regelmäßig im Team die Frage: Was gibt es euch, anderen zu helfen?